Dirk Alvermann


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Unser erstes öffentlich zugängliches Modell für die deutschen Kurrentschriften des 17. Jahrhunderts

Heute präsentieren wir „Acta 17“ als öffentlich zugängliches HTR  Modell.

Das Modell wurde anhand von mehr als 500.000 Wörtern aus Texten von etwa 1000 verschiedenen Schreibern aus der Zeit von 1580-1705 vom Universitätsarchiv Greifswald trainiert. Es kann mit deutschsprachigen, lateinischen und niederdeutschen Texten umgehen und ist in der Lage, einfache deutsche und lateinische Abkürzungen aufzulösen. Neben den üblichen Kanzleischriften enthielt das Trainingsmaterial auch eine Auswahl von Konzeptschriften und Druckschriften der Zeit.

Das gesamte Trainingsmaterial basiert auf Konsulentenanfragen, Prozessschriften und Urteilen aus dem Aktenbestand der Greifswalder Juristenfakultät Die Validierungssets basieren auf einer chronologischen Auswahl der Jahre 1580 – 1705 . GT & Validierungssets wurden von Dirk Alvermann, Elisabeth Heigl, Anna Brandt erstellt.

Aufgrund einiger Probleme bei der Durchführung umfangreicherer Serien von base model Trainings für HTR+ Modelle in den letzten Wochen haben wir beschlossen, ein von Grund auf neu trainiertes HTR+ Modell als öffentliche zugängliches Modell bereit zu stellen.

Es wird von einem PyLaia-Modell begleitet, das auf den gleichen Trainings- und Validierungssets basiert und ebenfalls ohne Nutzung eines Base Modells trainiert wurde.

Für das Validierungsset wählten wir Seiten, die einzelne Jahre des gesamten verfügbaren Materials repräsentieren. Insgesamt waren es  48 ausgewählte Jahre, fünf Seiten pro Jahr.

Wie sich die Modelle in den verschiedenen Zeiträumen des Validierungssets verhalten, könnt ihr im untenstehenden Vergleich sehen. Beide Modelle wurden ohne language model ausgeführt.

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Taggen im Text

Wie alles andere, kann man auch das tagging auf sehr unterschiedlichen Niveaus und mit unterschiedlichen Ansprüchen in seine Arbeit integrieren. In Transkribus steht eine große Anzahl Tags für die unterschiedlichsten Anwendungsfälle zur Verfügung, von denen einige hier beschrieben sind.

Wir haben uns für einen Versuch mit lediglich zwei tags, nämlich „person“ und „place“ entschieden, um später eben über diese Tags einen systematischen Zugriff auf die entsprechenden Textstellen zu ermöglichen.

Transkribus übernimmt beim taggen automatisch den Begriff, der unter dem cursor steht als value“ oder „label“ für den konkreten Fall. Wenn ich also, wie im Beispiel unten „Wolgast“ markiere und als „place“ tagge, dann sind schon zwei wesentliche Informationen festgehalten. Genauso verhält es sich mit dem Personennamen etwas weiter unten.

Transkribus bietet die Möglichkeit, jedes getaggte Element mit properties zu versehen, also bpw. den historischen Ortsnamen in der modernen Schreibweise wiederzugeben oder dem Personennamen eine gnd-Nummer zuzuordnen. Man kann auch weitere Properties erzeugen, meinetwegen Geodaten für Orte etc.

Angesichts der Textmenge, die wir verarbeiten, haben wir uns dafür entschieden, unseren Tags keine Properties zuzuweisen. Ledigklich die Ortsnamen werden, so gut es geht, identifiziert. Angestrebt ist dabei, dass wir bei der Präsentation im Viewer der Digitalen Biblitothek M-V die tag-values getrennt nach Personen und Orten neben dem jeweiligen Dokument anzeigen lassen können und dem Benutzer so eine systematische Navigation im Dokument ermöglichen.

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Tagging: wozu eigentlich? – wann und warum Tagging Sinn macht

Tagging erlaubt – zusätzlich zur Inhaltserschließung durch HTR – eine systematische Erschließung des Textes durch den späteren Benutzer. Anders als ein HTR-Modell, das seine Arbeit selbständig erledigt, muss das tagging größtenteils mauell erfolgen – ist also mit Aufwand verbunden. Bevor man also weitgreifende Pläne hinsichtlich des Taggings entwickelt, sollte eine realistische Aufwandsanalyse erfolgen.

Aufgrund der Menge des in unserem Projekt verarbeiteten Materials setzen wir das Tagging vorrangig dort ein, wo sie uns in der praktischen Arbeit am Text helfen. Das ist einmal beim Strukturtagging der Fall, wo mit Hilfe des Taggings und des daraus entwickelten P2PaLA die Layoutanalyse verbessert wird und dann natürlich auch beim taggen der textstyles im Falle von Streichungen und Schwärzungen, der Fall. Hier wird tagging also im Grunde „flächendeckend“ von uns eingesetzt. Fester Bestandteil unserer Transkriptionsregeln ist auch die Verwendung des „unclear“-Tags für Passagen, die vom Transcriber nicht korrekt gelesen werden können. Hier dient das Tag also eher der teaminternen Kommunikation.

Für die systematische Aufbereitung der Texte, für die bereits eine HTR durchgeführt wurde, experimentieren wir mit den Tags „person“ und „place“, um zumindest in dieser begrenzten Form eine systematische Erschließung anzubieten.

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Anwendungsfall: „Modell Booster“

Release 1.10.1

Unser Beispiel ist die Verbesserung unseres HTR-Modells für die Spruchakten. Das ist ein HTR-Modell, dass Kurrentschriften des 17. Jahrhunderts lesen kann. Auf der Suche nach einem möglichen Base Model findet man in den „public models“ von Transkribus zwei Kandidaten, die in Frage kommen: „German Kurrent M1+“ vom Transkribus Team und „German_Kurrent_XVI-XVIII_M1“ von Tobias Hodel. Beide könnten passen. Der Test auf dem Sample Compare ergibt allerdings, dass „German_Kurrent_XVI-XVIII_M1“ mit einer vorhergesagten mittleren CER von 9,3% auf unserem Sample Set die bessere Performance zeigte.

Für das Training wurde also „German_Kurrent_XVI-XVIII_M1“ als Base Model ausgewählt. Danach wurde der Ground Truth der Spruchakten (108.000 Wörter) und auch das Validation Set unseres alten Modells hinzugefügt. Die durchschnittliche CER unseres HTR-Modells hat sich nach dem Base Model Training erheblich verbessert, von 7,3% auf 6.6%. In der Grafik seht ihr, dass das Base Model auf dem Testset zwar wesentlich schlechter gelesen hat, als das Originalmodell, dass der Hybrid aus beiden aber besser ist als beide einzeln. Die Verbesserung des Modells ist in jedem einzelnen der getesteten Jahre zu beobachten und beträgt bis zu 1%.

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Modelle kombinieren

Release 1.10.1

Je länger man selbst HTR-Modelle trainiert, desto mehr beschäftigt man sich auch mit der Möglichkeit Modelle zu kombinieren. Es kann zum Beispiel sein, dass man mehrere Spezialmodelle für einzelne Schreiber oder auch Modelle, die auf besonderen Schriftarten oder Sprachen spezialisiert sind miteinander kombinieren möchte.

Ulm eine Kombination von Modellen zu erreichen gibt es verschiedenen Möglichkeiten. Hier möchte ich eine Technik vorstellen, die vor allem für sehr große generische Modelle aus meiner Erfahrung gut funktioniert – der „Model Booster“.

Dabei startet man ein Base Model Training und verwendet ein möglichst mächtiges fremdes HTR-Model als Base Model und den eigenen Ground Truth als Train Set. Bevor ihr startet aber noch zwei Ratschläge:

a) schaut euch genau die Eigenschaften des verwendeten Base Models an (für welche Zeit ist es Trainiert, für welchen Schriftstil und welche Sprache?) – sie müssen mit denen eures eigenen Materials möglichst übereinstimmen.

b) wenn möglich versucht die Performance des Base Models auf eurem eigenen Material vorherzusagen und entscheidet euch dann für das Base Model mit der besten Performance. Eine solche Vorhersage kann man recht über die Funktion Sample Compare machen. Eine andere Möglichkeit ist, das Basemodel mit dem Andvanced Compare auf dem eigenen Testset zu überprüfen.

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Anwendungsfall: Erweiterung und Verbesserung bestehender HTR-Modelle

Release 1.10.1

Im letzten Beitrag haben wir beschrieben, dass ein Base Model alles was es bereits “gelernt” hat, an das neue HTR-Modell weitergeben kann. Mit zusätzlichem Ground Truth kann das neue Modell dann seine Fähigkeiten erweitern und verbessern.

Hier nun ein typischer Anwendungsfall: In unserem Teilprojekt zu den Assessorenvoten des Wismarer Tribunals trainieren wir ein Modell mit acht verschiednene Schreibern. Das Train Set umfasst 150.000 Wörter, die CER lag beim letzten Training bei 4,09 %. Allerdings war die durchschnittliche CER für einzelne Schreiber viel höher als für andere.

Wir entschieden uns also für ein Experiment. Wir fügten 10.000 Wörter neuen GT für zwei der auffälligen Schreiber (Balthasar und Engelbrecht) hinzu und nutzten das Base Model und dessen Trainings- und Validation Set für das neue Training.

Das neue Modell hatte im Ergebnis eine durchschnittliche CER von 3,82 % – es hatte sich also verbessert. Was aber bemerkenswert ist, ist das nicht nur die CER für die beiden Schreiber verbessert wurde, für die wir neuen GT hinzugefügt hatten – in beiden Fällen um bis zu 1%. Auch die Zuverlässigkeit des Modells für die anderen Schreiber hat nicht gelitten, sondern sich im Gegenteil, ebenfalls verbessert.

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Auf den Schultern von Giganten: Training mit Basismodellen

Release 1.10.1

Wer generische HTR-Modelle entwickeln möchte, der kommt an der Arbeit mit Base Models nicht vorbei. Beim Training mit Base Models wird jeder Trainingsdurchgang für ein Modell auf der Grundlage eines bereits existierenden Modells, eben eines Base Models, durchgeführt. Das ist in der Regel das letzte HTR-Modell, das man in dem entsprechenden Projekt trainiert hat.

Base Models „erinnern“ sich an das, was sie bereits „gelernt“ haben. Daher verbessert auch jeder neue Trainingsdurchgang die Qualität des Modells (theoretisch). Das neue Modell lernt also von seinem Vorgänger und wird dadurch immer besser. Daher ist das Training mit Base Models auch für große generische Modelle, die über lange Zeit kontinuierlich weiterentwickelt werden, besonders geeignet.

Um ein Training mit Base Model durchzuführen, wählt man im Trainingstool – neben den üblichen Einstellungen – einfach ein bestimmtes Base Model aus. Danach fügt man aus dem Reiter HTR Model Data das Train Set und und das Validation Set (in früheren Transkribus-Versionen als Test Set bezeichnet) des Base Models ein, sowie das neue Trainings und Validation Set. Zusätzlich kann man dann noch weiteren neuen Ground Truth hinzufügen und anschließend das Training starten.

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Generisch Modelle und was sie können

Release 1.10.1

In einem der vorigen Beiträge haben wir über den Unterschied zwischen Spezialmodellen und generischen Modellen gesprochen. Spezialmodelle sind immer dann die erste Wahl, wenn dein Material nur eine begrenzte Anzahl von Schreibern umfasst. Für sehr vielfältiges Material – wenn bspw. in einem Handschriftenkonvolut der Schreiber häufig wechselt – bietet es sich an, ein generisches Modell zu trainieren.

Die folgenden Beiträge gründen sich auf unsere Erfahrungen mit dem Training eines generischen Modells für die Responsa der Greifswalder Juristenfakultät, in dem ca. 1000 unterschiedliche Schreiberhände trainiert wurden.

Aber zuerst: Was soll ein generisches HTR-Modell können? Das wichtigste ist schon gesagt: Es soll mit einer Vielfalt verschiedener Schreiberhände umgehen können. Es soll aber auch verschiedene Schriftarten (Alphabete) und Sprachen „lesen“ könne und in der Lage sein, Abbreviaturen zu interpretieren.

Hier seht ihr ein paar typische Beispiele für solche Herausforderungen aus unserer Sammlung.

Verschiedene Schreiberhände auf einer Seite:

Abbreviaturen:

Verschiedene Sprachen auf einer Seite:

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Der Regelbruch – das Problem mit Konzeptschriften

Release 1.10.1

Konzeptschriften werden verwendet, wenn ein Schreiber schnell einen Entwurf anfertigt, der erst später „ins Reine“ geschrieben wird. Bei den Spruchakten sind dies die später verschickten Urteile. Diese Schriften sind meist sehr flüchtig und „unordentlich“ geschrieben. Oftmals werden dabei Buchstaben ausgelassen oder Wortendungen „verschluckt“. Konzeptschriften sind schon für den menschlichen Leser oft nicht leicht zu entziffern. Für die HTR stellen sie eine besondere Herausforderung dar.

Um ein HTR-Modell für das Lesen von Konzeptschriften zu trainieren, geht man ganz ähnlich vor, wie beim Traininig eines Modells, das Abbreviaturen interpretieren soll. Das HTR-Modell muss in beiden Fällen befähigt werden, etwas zu lesen, was überhaupt nicht da ist – nämlich fehlende Buchstaben und Silben. Um das zu erreichen muss die Transkriptionsregel: „Wir transkribieren als Ground Truth nur das, was auch wirklich auf dem Papier steht“ gebrochen werden. Wir müssen vielmehr alle ausgelassenen Buchstaben und fehlende Wortendungen etc. in unsere Transkription einfügen. Anders werden wir am Ende kein sinnvolles und durchsuchbares HTR-Ergebnis erhalten.

Bei unseren Versuchen mit Konzeptschriften hatten wir zuerst versucht spezielle HTR-Modelle für Konzeptschriften zu trainieren. Der Erfolg damit war eher gering. Schließlich sind wir dazu übergegangen, Konzeptschriften – ähnlich wie die Abbreviaturen – direkt innerhalb unseres generischen Modells mit zu trainieren. Dabei haben wir immer wieder überprüft, ob der „falsche Ground Truth“ den wir dabei produzieren, das Gesamtergebnis unseres HTR-Modells verschlechtert. Überraschender weise hatte das Brechen der Transkriptionsregeln, keinen messbaren negativen Effekt auf die Qualität des Modells. Das ist wahrscheinlich auch auf die schiere Menge des Ground Truth zurückzuführen, der in unserem Fall verwendet wird (ca. 400.000 Wörter).

HTR-Modelle sind also in der Lage Konzeptschriften von Reinschriften zu unterscheiden und entsprechend zu interpretieren – innerhalb bestimmter Grenzen. Unten findet ihr einen Vergleich des HTR-Ergebnisses mit dem GT bei einer typischen Konzeptschrift aus unserem Material.

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„zwischen den Zeilen“ – Behandlung von Einfügungen

Mindestens genauso häufig wie Streichungen oder Schwärzungen kommen Überschreibungen oder zwischen die Zeilen geschriebene, eingefügte Textpassagen vor. Hier ist es in zweierlei Hinsicht nützlich, wenn man schon zu Anfang eines Projektes klärt, wie diese Fälle behandelt werden sollen.

In diesem einfachen Beispiel könnt Ihr sehen, wie wir solche Fälle handhaben.

Da wir Streichungen und Schwärzungen sowohl im Layout als auch im Text erfassen, ist es nur konsequent, wenn wir die Überschreibungen und Einfügungen ebenso behandeln. Meist werden solche Passagen schon bei der automatischen Layoutanalyse mit separaten Baselines versehen. Hin und wieder muss man da korrigieren. Auf jeden Fall wird jede Einfügung von uns als eigene Zeile behandelt und auch in der Reading Order entsprechend berücksichtigt.

Auf keinen Fall sollte man das transkribiren was über der Streichung steht, da diese Überschreibungen oder Einfügungen eine eigene Baseline haben. Auf diese Weise würde das Trainingsmaterial versfälscht, auch wenn die Präsentation des Textes für das menschliche Auge natürlich gefälliger wäre.